Besuch und Rundgang auf dem Kirchheimer Fried- und Kirchhof
Friedhöfe, auch Kirchhöfe, sind besondere Orte. In Kirchheim gibt es sie beide. Es sind Orte der Ruhe und der Besinnung. Natürlich sind es auch Orte der Begegnung. In einer Predigt äußerte Pfarrer Michael Eschweiler einmal, dass man beim Friseur, in der nächsten Eck-Kneipe oder doch auch auf dem Friedhof immer etwas Neues erführe. Wenn dem nicht so sei, könne man den Friseur und die Kneipe vergessen und auf den Friedhof bräuchte man dann eigentlich auch nicht mehr gehen. Denn neben einem Ort der Trauer ist ein Friedhof immer auch ein Ort lebendiger Kommunikation. Es wird Neues ausgetauscht, es wird erzählt und – natürlich – auch gelacht. Ein Friedhof ist alles andere als ein toter Ort.
Pfarrer Berg erzählt hin und wieder, dass nicht wenige auf einem Friedhof sogar laufen gelernt hätten. Ein schönes Bild. Aus meinen Fenstern kann ich diese Lebendigkeit beider Friedhöfe beobachten. 1947 wurde der kommunale Friedhof angelegt und am 21.11.1947 erfolgte dort die erste Beisetzung. Lediglich 14 Bestattungen gab es dort in 14 Jahren. Heute erreicht man diese Zahl, je nach dem, bereits nach einem dreiviertel Jahr.
Bis Ende 1960 war es nämlich auf dem alten (kircheneigenen) Friedhof erlaubt bei bestehenden Nutzungsrechten noch Bestattungen durchzuführen. Ich möchte den alten Friedhof richtigerweise „Kirchhof“ nennen, im Dialekt heißt es ohnehin der „Kerchhoff“. Denn ob seines Ortes und seiner Lage, der vermutlich mehr als tausendjährigen Geschichte, erscheint mir dieser Begriff zutreffender. Auf dem alten Friedhof stand bereits der Vorgängerbau unserer heutigen Martinus-Kirche. Mit städtischer und kirchlicher Ausnahmegenehmigung gab es dort nach 1961 noch 5 weitere Bestattungen, die vorletzte dort war z.B. der aus Kirchheim stammende Pfarrer Wilhelm Jordan, der am 31.08.1994 verstarb und dort seine letzte Ruhestätte fand. Seit Ende Februar 1995 gab es dann auf dem alten Kirchhof keine Bestattung mehr und heute, unter Berücksichtigung der Nutzungszeiten gemäß Friedhofssatzung, an keinem Grab mehr ein Nutzungsrecht. Während meiner Ausbildung auf der Friedhofsverwaltung schärfte mir mein Chef und Heimatforscher Heinz Höver ein, dass Friedhöfe Orte wie kulturelle Spiegel seien, viele Geschichten aus ihnen abzulesen seien. In der Tat: sie erfüllen ökologische, künstlerische, gesellschaftliche aber auch kultische Funktionen und sind in jedem Falle von öffentlichem Interesse. So auch in Kirchheim.
Deshalb muss am jetzigen Zustand des „alten Kirchhofs“ nachhaltig dringend etwas getan werden. Fängt man dort z.B. einen Rundgang an, entdeckt der Besucher neben den dort bereits lange bestatteten Kirchheimern auch Gräber längst verstorbener Priester. Priester, die z.B. als „Erbauer“ der heutigen Pfarrkirche gelten (Everhard Decker) oder auch als Spiritual im Erzbistum München-Freising tätig waren (Msgr. Dr. Hubert Klees). Aber auch der bereits erwähnte und aus Kirchheim stammende Pfr. Wilhelm Jordan, der dort neben dem überaus beliebten Pfarrer Wilhelm Scheeren seine letzte Ruhe fand. Blickt man umher, entdeckt man ein Kriegsgräberfeld mit 9 Soldaten. Aber auch die Geschwister Theresia und Aurelia Buschhausen oder die aus Briedel an der Mosel stammenden, unverheirateten Geschwister Gertrud und Katharina Burch, die dort zusammen mit ihrer Cousine, der Lehrerin Regina Burch, sind auf dem alten Kirchhof beerdigt. Letztere stifteten ihr Vermögen der hiesigen Kirchengemeinde, wovon diese wiederum das neben der Kirche liegende St.-Josefs-Haus errichtete. Das alles und sie alle sind stummgewordene Zeugen Kirchheimer Geschichte, die es dringend gilt, wach und lebendig zu halten. Aber auch auf dem neuen Friedhof in der Galileistraße stößt man auf Kirchheimer Geschichte: das Gräberfeld (Reihengräber) der Salvatorianerinnen. Sieben Schwestern sind dort beigesetzt, die früher in Kirchheim gewirkt haben: die Schwestern Domitilla Ullrich, Patientia Kurzer, Triphina Igel, Thoretta Puscher, Isidora Martin, Mathildis Eickelmann die auch in Kirchheim einmal eine der acht Oberinnen war und 1994 verstarb) sowie Dietlinde Krause. Insgesamt 66 Schwestern waren in den 6 Jahrzehnten ihres segensreichen Wirkens hier im Ort tätig. Sechs Schwestern wohnten noch in Kirchheim, als das Kloster 1995 aufgegeben werden musste. Insgesamt leben heute noch weniger als 10 Schwestern, die im Laufe der Geschichte der Salvatorianerinnen einmal in Kirchheim tätig waren. Pflege und Betreuung dieser Gräber wurde den zuständigen Schwestern in letzter Zeit unmöglich. Von den deutschlandweit noch 86 Salvatorianerinnen sind fünf unter 70. Unter Einbeziehung der Provinzoberin in Horrem und in Absprache mit der Stadt Euskirchen wurde entschieden, die Grabstätten zu erhalten und so Wirken und Erinnerung an die Schwestern wach zu halten. Die gesamte Grabanlage wurde etwas weiter vorversetzt, Einfassung, das steinerne Kreuz mit der Umschrift „Salus tua ego sum“ (Ich bin dein Heil) sowie die Reinigung der Namensplatten erfolgten fachgerecht durch einen Euskirchener Steinmetzbetrieb. In Kürze erfolgt noch die Bepflanzung mit einem Bodendecker. Es sei an dieser Stelle – wohl auch im Namen vieler Kirchheimer – ein Dankeschön an das politische und städtische Engagement ausgesprochen.
Wie brachte es eine verstorbene Schwester einmal zur Sprache, als sie auf ihren künftigen Begräbnisplatz angesprochen wurde, der in unmittelbarer Nähe zur Talsperrenstraße lag: „Da kann man ja sein eigenes Wort nicht mehr verstehen.“ Mögen die Friedhöfe – nicht nur die in Kirchheim – auch in Zukunft Stätten dankbarer Erinnerung sein, aber immer auch Orte lebendiger Kommunikation und Begegnung.
Text: Thomas Müller
Fotos: Ralf Sieburg