Kirchheim – damals und heute

Kirchheim ist ein altes Dorf mit Fachwerkbauten aus dem 18. Jahrhundert, welche stellenweise durch Neubauten ersetzt sowie ergänzt wurden und die Lücken zwischen den alten Ortsteilen verschwinden ließen.

Der Ort besteht seit alter Zeit aus den gleichnamigen Dorf und den fest danebenliegenden Ortsteilen Oberkastenholz und Hockenbroich (ehemals auch Hocken oder auch Hockenthüre genannt). Kirchheim liegt am Eingang zu den Eifelhöhen und ist ein Ortsteil von Euskirchen. In der Nähe zu Kirchheim liegen auch die Städte Rheinbach und Bad Münstereifel.

Von den Kirchheimer Höhen bietet sich Wanderern eine großartige Aussicht auf die Rheinebene. Bei klarem Wetter hat man von dort aus einen großartigen Blick auf den Kölner Dom mit seinen hohen Türmen oder auch auf das Siebengebirge mit seiner scheinbar endlosen Kette von Bergen.

Hockenbroich ist der älteste Teil des Ortes. Die Kirchheimer betrieben früher überwiegend intensive Forst- und Landwirtschaft sowie Viehzucht, waren in den Stein- und Kalkbrüchen (daher auch „Kissklöpper“ genannt) oder Straßenbau tätig; nur ein geringer Anteil war in den Fabriken in Euskirchen, Arloff und Stotzheim beschäftigt. Einige Ihnen hatten sogar Ihre Arbeitsstellen in der Liblarer Braunkohleindustrie oder dem ehemaligen Mechernicher Bleibergwerk, wo sie meist unter der Woche verblieben und erst am Wochenende zurück in ihre Heimat kamen.

Zur Zeit der Römer war das heutige Kirchheim ein Vorwerk des großen römischen Belgica, dem heutigen Billig. Dies belegen Funde aus Fluren von Hockenbroich welche von Pfarrer Deder gefunden wurden. Eine römische Wasserleitung, zahlreiche Mauerreste sowie sonstige Merkmale deuteten darauf hin, dass sich hier die Römer niedergelassen hatten. Auch verschiedenste Matronensteine und Kupfermünzen mit der Aufschrift „diva Faustina“ die dort gefunden wurden lassen darauf schließen. Ebenfalls wurden im alten Ortsteil Oberkastenholz stellenweise römische Mauerreste sowie ein Teil der römischen Wasserleitung gefunden. Die älteste Ansiedlung des Römerkastells hat auf einer kleinen Anhöhe gestanden.

Die in Hockenbroicher Erde gefundenen römischen Mauerreste sowie der Römerkanal deuten  darauf hin, dass hier der römische Verwaltungsmittelpunkt war. Dort hat auch die sagenhafte Burg „Hockebur“ gestanden. Diese wurde im 5. Jahrhundert durch die Franken, welche vom rechten Rheinufer siegreich in römische Besitzungen eindrangen, erobert.

In der fränkischen Zeit war diese der Mittelpunkt eines großen Hof- oder Königsgutes, welches die Bezeichnung „Villa“ führte. Es wird angenommen das aus diesem Grund, der Flurteil auch heute noch den Namen „Auf dem Wyler“ führt, ableitend aus dem Lateinischen „villa villarium“.

Kirchheim wurde zur Zeit der Franken und wegen seiner Lager und Kultur Fiskalgut, erst unter den Merovingern und später unter den Karolingern. Vor dem 7. Jahrhundert entwickelte sich diese „Villa“ zum Prädium Flamersheim, dessen älteste Erwähnung in der Chronik des Regino von Prüm im Jahr 870 erfolgte. Ins Deutsche übersetzt heißt es dort: „Als Ludwig der Deutsche von östlichen Landen kommend, das Gebiet der Ripuarier betreten hatten nahm er Herberge in villa nominé Flamersheim d.h. auf dem königlichen Hofgut Flamersheim  und wie er dort von einer großen Anzahl Begleiter umgeben, das solarium, d.h. der Söller oder oberes Stockwerk des Hauses bestieg, brachen plötzlich zwei Balken, welche infolge des hohen Alters durch Fäulnis morsch geworden waren. Das solarium stürzte zusammen und unter seinen Trümmern wurde der König stark zerquetscht, so dass zwei Rippen sich aus ihrem Verbande lösten.“

Hockebur auch Hockenbur bedeutet hohe Burg. Dies ist jedoch nicht mit Hockenbroich identisch, dies war nur ein Teil der alten „villa“ In dieser wohnten die Leibeigenen welche die Hockebur umgab und einen Besitz von ca. 600 Morgen hatte.

Der Flur zwischen den alten Ortsteilen Hohnsheck und Hockenbroich gehörte zur villa; welche den Namen „Bröhl“ betrug. Diese erinnert an den am fränkischen Gut gelegene „Thiergarten“. Östlich der villa lag in einem Quadrat eine große kultivierte Fläche, welche vom Königsgut als Acker – und Gartenbaufläche bewirtschaftet wurde. Im Norden wurde diese von der Bauertsweide umgrenzt, im Osten von der Hallgasse und im Westen von der Hockenbroicher Straße. Dort befanden sich alte Fischteiche, welche vermutlich von den Römern aus dem Felsen gehauen wurden.

In den Jahren 881 und 882 vernichteten die Normannen die villa vollständig und machten sie dem Erdboden gleich. Die Chronik des Regino von Prüm aus dem Jahre 882 besagt, dass die Normannen von Bonn aus kommend, das heutige Ludendorf „Landuljesdorf“ belagerten und vorn dort aus durch den Wald nach Prüm zogen, welches sie ebenfalls in Schutt und Asche legten. vermutlich haben die auch das im Halbkreis vom Flamersheimer Wald gelegene Prädium Flamersheim vernichtet haben. Dieses wurde nicht mehr aufgebaut, sondern die Bewohner siedelten sich östlich der Ebene an, wo das heutige Flamersheim entstand.

950-1047 waren die Aachener Pfalzgrafen noch die Besitzer des Prädium Flamersheim, welche die villa nicht wieder aufbauten und ihren Sitz auf die Feste Tomburg verlegten. Flamersheim betrachteten sie als Hauptort ihres Bezirks. Das Prädium Flamersheim als Königsgut, erhielten die Pfalzgrafen nicht weiter und teilten es auf. Daraus folgte, dass mehrere kleine Ortsteile entstanden.

Der allgemeinen Ansicht nach, wäre „Hockebur“ der älteste Mittelpunkt in dieser Gegend, welches noch nach Jahren durch einen alten Brauch bewiesen wird. Am Kirmessonntag (2. Oktober, damals nach Mariä Geburt) wird von dem Junggesellenverein Hockenbroich in der Hohnshecke, einem Teil der Hockebur, unter Längen von Musik durch den Tambourcorps mit einem Reiter an der Spitze, jedes mal an die Verhältnisse erinnert. Einer der Junggesellen verließt das sogenannte Hohnshecker Protokoll, welches scherzhaft die Abgaben und Leistungen aufzählt, welche die umliegenden Dörfer zu errichten haben. Zwanglos wird hier die alte Macht und Herrlichkeit wiedergegeben, die zu alter Zeit an diesem Ort bestand, jedoch von den meisten Menschen nicht mehr verstanden wurde und zeitweilig ausartete. So mag es dazu gekommen sein, dass im Jahr 1835 durch Bürgermeister Overstolz und Amtsverwalter Pang, der Umzug zur Hohnshecke zum Missvergnügen der Dorfeingesessenen verboten wurde, ohne dass der Brauch als solcher abgeschafft werden konnte. Nach einiger Zeit lebte der Brauch in seiner alten Form wieder auf, nachdem sich Pfarrer Becker aus Vochem sowie Rieglor-Remagen, früher in Kirchheim wohnhaft, und viele andere um die Wiederherstellung des alten Protokolls bemüht hatten, da das ursprüngliche verloren gegangen war. Das Protokoll enthielt so manchen blühenden Unsinn, so dass ein neues Protokoll in Reimversen geschrieben wurde, welches noch heute verlesen wird. Über die Jahrzehnte gestaltete sich das Fest als würdevoller, so dass der seit fast tausendjährige erhaltene schöne Brauch als Zugabe zum Volksfest noch lange erhalten bleibt.

Es wird vermutet dass das Königsgut, welches auf der Hockebur, Wyler und Hohnheck lag und  872 von Ludwig (der Deutsche) Besitz nahm, auch eine Pfalzkapelle besaß. Zu dieser gehörte auch das Hofgesinde, während die weitab wohnenden Sassen der Großen Anlage anderer Kirchen angehörten, welche auf dem Terrain entstanden waren. In den letzten Jahrzehnten des 9. Jahrhunderts zerstörten die Normannen den ripuarischen Gau durch Mord und Brand.

Die Bewohner der Burg und der näheren Umgebung verließen den verwüsteten Ort und zogen in die östliche, fruchtbarere Ebene, in der im 9. und 10. Jahrhundert den vorigen Namen Flamersheim erhielt. Kirchlich gehörte diese jedoch zum alten Flamersheim. Im alten Flamersheim (Hockebur, Wyler und Hohnsheck) waren jedoch noch einige Bewohner zurückgeblieben, welche sich aus den Trümmern neuer Wohnungen und für ihre religiösen Bedürfnisse auch die alte Pfalzkapelle errichteten. So kam es, dass aus dem alten Hockebur ein neues Dorf entstand. So kam es dazu, dass sich die Bewohner des mittleren Teils von Kirchheim „die Dörfer“ und zu den beiden anderen Seiten „Hockenbroicher“ sowie „Oberkastenholzer“ nannten. Das neue entstandene Dorf, welches auf den Trümmern der alten Königsburg entstand, erhielt nach seiner Lage und seiner alten Bezeichnung entsprechend den Namen. Hockebure, wie es  aus dem Memorienbuche des St. Kölner Mariengradenstiftes aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu entnehmen ist, wo es heißt: „Vlamersheim et Hockenbure solvent“. Anfangs war dies ein unbedeutender Ort, welcher sich jedoch schnell entwickelte und bald den Namen Kirchheim angenommen hat, denn im lib. valoris von 1316 ist zu lesen „Der Pastor von Kirchheim zahlt 10 M., der Vikar 6 m. Census“, wobei der Pfarrer wieder als das Stift Maria ad gradus zu betrachten sein wird. Da das neue Flamersheim (in der Ebene) ebenfalls stetig wuchs und besonders die Stiftsherren von Maria ad gradus, welchen Flamersheim vom Erzbischof Anno II um 1075 geschenkt worden war, nicht länger unter dem Pfarrer von Hockebure stehen konnten und wollten, sorgten sie dafür das Flamersheim eine eigen Kirche erhielt und Pfarrei wurde. Dies geschah bereits im 11. Jahrhundert. Die Pfarrei Hockenbur wurde dadurch sehr verkleinert und auch das Einkommen reduzierte sich. Pfarrer Deder hat nachgewiesen, dass der Pfarrer von Hockenbur für die Abgaben (Zehnt) der Ländereien die er in der Flur der neuen Pfarrei Flamersheim verlor, 54 Morgen Herrenland erhielt. Aber an Erinnerung an sein altes Recht, blieb ihm der Zehnt von 90 Morgen im Flamersheimer Geld erhalten, wie auch Maria ad gradus eine Rekognitionsgebühr für die angetretenen 54 Morgen beanspruchte, die man „Seelpachl“ (Saal- oder Herrenpacht) nannte.

Die Herren von Tomburg besaßen als Nachfolger des Pfalzgrafen die Kollation über die seit dem 14. Jahrhundert genannte Pfarrei „Kirchheim“. 1473 ging sie von diesen an die Herzöge von Jülich und die Herren von Quadt über.  Im Jahre 1710 trat Jülich sein Kollationsrecht, mit der Zustimmung des päpstlichen Nuntius und des erzbischöflichen Offiziales, an das Stiftskapitel in Münstereifel ab. Dieses übte die Kollation mit den Herren von Tomburg zu Flamersheim bis zur Säkularisation im Jahre 1802 aus.

In der Zeit des Nationalsozialismus wirkte ab 1938 Joseph Emonds als Pfarrer in der katholischen Pfarrgemeinde St. Martinus. Der Geistliche war ein Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und ein Judenhelfer. In den letzten Kriegsmonaten versteckte er im Pfarrhaus den Düsseldorfer Maler Mathias Barz und seine jüdische Frau Hilde geborene Stein.

Nach 1945 strebte der Kreis ein Jugendheim an einer Anhöhe an Steinbachtalsperre für die Freizeitgestaltung an, welches bereits 1953 eröffnet wurde. 1975 wurde dieses an das Erzbistum Köln verkauft, die dieses nun als „Bildungsstätte Steinbachtalsperre“ betreibt und gänzjahrige Schulungswochen für Kinder und Jugendliche anbietet.

Am 1. Juli 1969 wurde die, durch die kommunale Neugliederung, nach Euskirchen eingemeindet.

Text: Alexander Jary

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